Das seit etwa 20 Jahren bestehende europäische Emissionshandelssystem leistet einen wichtigen Beitrag zum Erreichen der Klimaneutralität. Trotzdem war es lange hochumstritten. Seit seiner Einführung wird es – politischen Vorgaben folgend – fortlaufend verändert, erweitert und durch zusätzliche nationale Emissionshandelssysteme ergänzt. Das Grundsystem ist einfach: CO2-Emission bekommen einen Preis, die Politik bestimmt das zu erreichende Reduktionsziel, und der Markt regelt, wer wo und wie am preisgünstigsten die CO2-Reduktion durchführt. Der politische Gestaltungswille macht es indessen für betroffene und interessierte Unternehmen nicht immer leicht, die relevanten Rechtsgrundlagen im Blick zu haben und zu ihrem Vorteil zu nutzen. Die verschiedenen Handelssysteme tragen weiter zu Unsicherheiten bei. In diesem Artikel geben wir Ihnen einen Überblick über das Emissionshandelssystem auf europäischer und deutscher Ebene sowie die jeweils relevanten Rechtsgrundlagen.
Das europäische Emissionshandelssystem
Mit der Emissionshandelsrichtlinie (2003/87/EG) führte die EU zum Jahr 2005 das europäische Emissionshandelssystem (EU-ETS 1) ein und legt die wesentlichen Rahmenbedingungen und Vorgaben für den europäischen Handel mit Emissionszertifikaten fest. Das System stellt ein zentrales Instrument zur kostenwirksamen Reduzierung der Treibhausgasemissionen dar und soll dazu beitragen, Treibhausgasneutralität zu erreichen. Der EU-ETS 1 umfasst EU-weit rund 9.000 stationäre Energie- und Industrieanlagen aus etwa 30 Branchen. Diese emittieren knapp 40 % der europäischen Treibhausgasemissionen. Seit dem Jahr 2012 zählt auch der innereuropäische Luftverkehr sowie seit 2024 der Seeverkehr zum ETS 1. Für die betroffenen Unternehmen ist die Teilnahme am Emissionshandel verpflichtend.
Mit dem sogenannten „Fit for 55“ Paket aus dem Jahr 2021 strebt die EU an, ihre Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um mindestens 55 % gegenüber 1990 zu reduzieren. Dazu soll unter anderem auch das Emissionshandelssystem erweitert und verschärft werden. Zum Jahr 2027 soll ein europäischer Emissionshandel für Brennstoffe mit Schwerpunkt auf den emissionsintensiven Verkehrs- und Gebäudesektor eingeführt werden (EU-ETS 2). Hierzu befinden sich bereits entsprechende Regelungen in den Art. 30a ff. der Emissionshandelsrichtlinie. Die beiden Emissionshandelssysteme (EU-ETS 1 und EU-ETS 2) laufen zwar parallel, aber bleiben getrennt, sodass im EU-ETS 2 eigene Zertifikate zugeteilt und gehandelt werden.
Das Cap-and-Trade-System
Das Emissionshandelssystem basiert auf dem sogenannten Cap-and-Trade-System. In den ersten beiden Handelsperioden seit Einführung des EU-ETS 1 (2005-2007 / 2008-2012) legte jeder Mitgliedsstaat die jeweilige Obergrenze (Cap) für emittierte Treibhausgase für sein Gebiet selbst fest. Diese Obergrenze gab an, wie viele Treibhausgase von allen emissionshandelspflichtigen Anlagen im Mitgliedsstaat für den Zeitraum der jeweiligen Handelsperiode ausgestoßen werden durften. Seit der dritten Handelsperiode (2013-2020) legt die Europäische Kommission fest, wie viel Treibhausgase EU-weit emittiert werden dürfen. Sodann wird jedem Mitgliedstaat ein Cap zugeteilt. Die Gesamtmenge an verfügbaren Emissionszertifikaten wurde dabei kontinuierlich von Jahr zu Jahr gesenkt. Vor allem im Rahmen des „Fit for 55“-Paketes senkte die EU den jährlichen Emissionsgrenzwert, denn im Vergleich zum Jahr 2005 sollen die Emissionen bis zum Jahr 2030 um 62%, anstatt zuvor um 43%, reduziert werden.
Unternehmen, die emissionshandelspflichtige Anlagen betreiben, müssen Emissionsrechte (Zertifikate) erwerben. Diese Zertifikate berechtigen die Unternehmen, eine bestimmte Menge CO2 auszustoßen. Die Zuteilungen der Zertifikate erfolgt in den Mitgliedsstaaten - in Deutschland zunächst größtenteils kostenlos (entsprechend der Zuteilungsgesetze 2007 und 2012). Mittlerweile werden die Zertifikate zunehmend über Versteigerungen vergeben, das nähere Verfahren regelt die delegierte Verordnung (EU) 2023/2830.
Wenn ein Unternehmen weniger CO2 emittiert als Zertifikate zugeteilt wurden, kann das Unternehmen die überschüssigen Zertifikate an andere Unternehmen verkaufen, die ihre Emissionsgrenze überschreiten (Trade). Der Preis der Zertifikate wird dabei durch den Markt bestimmt. Auf diesem Weg bietet das Cap-and-Trade-System einen Anreiz, langfristig Treibhausgasemissionen zu reduzieren.
Das deutsche Emissionshandelssystem
In Deutschland setzt das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG) die Emissionshandelsrichtlinie um und schafft so die rechtlichen Voraussetzungen für den Treibhausgashandel auf nationaler Ebene. Darüber hinaus konkretisiert die Verordnung zur Durchführung des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes in der aktuellen 4. Handelsperiode (2021-2030) die Regelungen des TEHG.
Ergänzend zum EU-ETS 1 gilt in Deutschland seit 2021 ein zusätzliches nationales System für den Handel mit Emissionsberechtigungen für Brennstoffe. Das Gesetz über einen nationalen Zertifikatehandel für Brennstoffemissionen (BEHG) gilt für fossile Brennstoffe, wie unter anderem Benzin, Diesel, Heizöl, und Erdgas.
Das nationale System funktioniert ähnlich zum europäischen Emissionshandel und ist ebenfalls als Cap-and-Trade-System konzipiert. Der Handel mit den Zertifikaten sowie das nationale Emissionshandelsregister werden durch die Brennstoffemissionshandelsverordnung (BEHV) geregelt.
Im Gegensatz zum europäischen System (EU-ETS 1) müssen die Unternehmen, die die Brennstoffe in Verkehr bringen, Zertifikate für diejenigen Emissionen erwerben, die Kunden beim Verbrauch der Brennstoffe verursachen. Die dadurch entstehenden Kosten können auf die Brennstoffpreise umgelegt werden, was die Kunden dazu motivieren soll, ihre Emissionen zu senken. Es handelt sich hierbei also nicht um ein sog. Downstream-System, bei dem die direkten Emissionen von Anlagen bepreist werden, sondern um ein Upstream-System, welches die Emissionshandelspflichten bereits auf Ebene der Lieferanten ansiedelt.
Für Unternehmen, die sowohl unter das europäische als auch unter das deutsche System fallen, existieren Ausgleichsmechanismen, mit denen eine Doppelbelastung vermieden werden soll (siehe § 7 Abs. 5 BEHG sowie die BEHG-Doppelbilanzierungsverordnung – BEDV). Mit Einführung des EU-ETS 2 wird das deutsche System in den europäischen Zertifikatehandel im Brennstoffsektor eingegliedert.
Der freiwillige Emissionshandel
Neben diesen verpflichtenden Emissionshandelssystemen gibt es ebenso den freiwilligen Zertifikatehandel. Dazu können die Mitgliedsstaaten eigene Emissionshandelssysteme einführen, bei dem die Teilnahme nicht rechtlich vorgeschrieben ist.
Anstatt vorab Zertifikate für den Ausstoß von Emissionen auszustellen, knüpfen freiwillige Zertifikate an den Ausgleich bzw. die Vermeidung von Emissionen an anderer Stelle an, sodass hier der Ausgleich von Treibhausgasemissionen stets nur ein nachgelagerter Schritt sein kann. Für Projekte, die CO2 reduzieren, werden Zertifikate ausgestellt. Diese können Unternehmen sodann kaufen, um damit – jedenfalls auf dem Papier – ihre eigenen CO2-Emissionen auszugleichen (zu Entwicklungen im freiwilligen Emissionshandel nach der COP29 sehen Sie auch hier).
Der Handel mit diesen Zertifikaten findet bisher regelmäßig nicht unmittelbar zwischen Unternehmen und Projektbetreibern, sondern über Zwischenhändler statt. Diese kaufen dem Projektentwickler sein Zertifikat ab und verkaufen es mit Kommission weiter. Darüber hinaus gibt es Börsen (z.B. Aircarbon Exchange (ACX)) an denen die Emissionsgutschriften als standardisierte Finanzprodukte gehandelt werden.
Mit der Verordnung (EU) 2024/3012 hat sich die Europäische Union im November 2024 erstmals auf einen EU-weiten freiwilligen Rechtsrahmen für die Zertifizierung von CO2-Entnahmen geeinigt. Zahlreiche Regelungen der Verordnung sind noch durch delegierte Rechtsakte zu konkretisieren. Ein europäisches Register soll für Transparenz sorgen und die Qualität der Zertifikate sichern. Außerdem sollen so Anreize für neue Projekte in der EU geschaffen werden. Eine Eingliederung in das bestehende (verpflichtende) europäische Emissionshandelssystem ist nicht vorgesehen.
Pläne der neuen Bundesregierung
Der Emissionshandel ist für die neue deutsche Bundesregierung ein zentraler Baustein im Bereich Klimaschutz und soll weiter vorangetrieben werden. Da der Emissionshandel, gerade auch der bald beginnende ETS 2 im Brennstoffsektor zu spürbaren Belastungen der Verbraucher führt, sollen besonders belastete Haushalte entlastet werden. Laut Koalitionsvertrag wird Deutschland den Sektor Landwirtschaft nicht in den ETS 2 einbeziehen. Der freiwillige Emissionshandel über CO2-reduzierende Projekte wird weiterhin unterstützt, wobei die Bundesregierung betont, dass es sich um eine „glaubwürdige CO2-Reduzierung durch hochqualifizierte, zertifizierte und permanente Projekte“ handeln muss.
Fazit
Das europäische Emissionshandelssystem (EU-ETS 1 und zukünftig EU-ETS 2) erweist sich als zentraler Baustein für den Klimaschutz, indem es für Anlagenbetreiber einen direkten Anreiz zur Reduktion von Treibhausgasen schafft. Es deckt inzwischen rund 9.000 stationäre Energie- und Industrieanlagen sowie Teile des Flug- und Schiffsverkehrs ab und strebt eine schrittweise Senkung der Emissionsobergrenzen an. Mit zunehmenden Auktionen und immer weniger kostenlos zugeteilten Zertifikaten verstärkt sich der Preisdruck auf Emittenten und unterstützt so langfristig klimafreundliche Investitionen. Flankiert wird dies durch neuere Legislativpakete aus dem “Fit for 55”-Paket. Parallel dazu baut Deutschland auf nationale Regelungen wie das BEHG, das fossile Brennstoffe erfasst. Auch freiwillige Märkte gewinnen zunehmend an Bedeutung, etwa durch neue EU-Vorschriften, die freiwillige Emissionsgutschriften zertifizieren und ihre Qualität sichern sollen.
Der Emissionshandel ist ein zentraler Baustein zur Bekämpfung des Klimawandels. Die rechtliche Ausgestaltung sowie das Zusammenspiel zwischen europäischen und nationalen Vorschriften sowie der Teilnahme am freiwilligen Emissionshandel stellt betroffene und interessierte Unternehmen jedoch oft vor Herausforderungen. Gerne unterstützen wir Sie, diese Herausforderungen zu meistern.