Das Bundesarbeitsgericht hat kürzlich entschieden, dass ein Arbeitgeber, der an eine tarifvertragliche Altersgrenzenregelung gebunden ist, die auf das Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung abstellt, einen erstmaligen Bewerber, die diese Altersgrenze überschreitet, zugunsten eines jüngeren Bewerbers ablehnen kann. Dies stellt zwar eine Benachteiligung des älteren Arbeitnehmers dar. Diese ist aber gerechtfertigt, wenn sich der Arbeitgeber auf die Wertungen der tarifvertraglichen Regelung beruft.
(BAG, Urteil vom 8. Mai 2025 – 8 AZR 299/24)
Damit stärkt das Bundesarbeitsgericht das Prinzip der Generationengerechtigkeit. Es bleibt abzuwarten, inwieweit dies auch nicht tarifgebundenen Arbeitgebern die Möglichkeit gibt, gestützt auf in Individualverträgen wirksam vereinbarte Altersgrenzenregelungen Arbeitnehmer abzulehnen, die deren Altersgrenzen überschreiten, ohne sich dem Risiko von Entschädigungsansprüchen auszusetzen. Im Einzelnen:
Der Kläger klagte auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Der Kläger hatte die Regelaltersgrenze überschritten und war mit einem Grad von 60 als schwerbehindert anerkannt. Er bewarb sich mit Hinweis auf seine Schwerbehinderung auf eine Stelle der Beklagten, einer kommunalen Körperschaft des Öffentlichen Rechts. Die Beklagte stellte eine jüngere Bewerberin ein, die die Regelaltersgrenze noch nicht erreicht hatte. Sie lud den Kläger nicht zum Bewerbungsgespräch ein. Auf Anfrage des Klägers erteilte die Beklagte keine Auskunft über die Gründe der Bewerbungsabsage. Daraufhin machte der Kläger eine Benachteiligung aufgrund des Alters und/oder der Schwerbehinderung geltend.
Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass die Benachteiligung des Klägers durch legitime Ziele aus dem Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik im Allgemeininteresse gerechtfertigt war. Die Zielsetzung der tarifvertraglichen Norm lag in einer besseren Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen mittels einer Förderung des Zugangs jüngerer Menschen zur Beschäftigung. Jüngeren Menschen solle mit dem Ausscheiden Älterer aus dem Erwerbsleben ermöglicht werden, im Sinne eines beruflichen Aufstiegs Berufserfahrung anzusammeln.
Voraussetzung für die Rechtfertigung ist, dass ein jüngerer qualifizierter Bewerber zu Verfügung steht und dass der Arbeitgeber das Ziel der Generationengerechtigkeit kohärent verfolgt. Dafür reicht es regelmäßig aus, wenn der Arbeitgeber sich auf seine Bindung an die tarifvertragliche Altersgrenzenregelung beruft. Inkohärent wäre es demgegenüber, wenn sich der Arbeitgeber trotz Vorhandenseins eines geeigneten jüngeren Bewerbers die Einstellung eines ihm besonders geeignet erscheinenden älteren Bewerbers, der die Altersgrenze überschritten hat, vorbehält.
Obwohl die tarifvertraglichen Regelungen im entschiedenen Fall explizit auf den Fall einer Wiedereinstellung zugeschnitten waren, erstreckt das Bundesarbeitsgericht diesen Maßstab überzeugenderweise auch auf die Ablehnung der Neueinstellung von „Externen“, die die Regelaltersgrenze überschritten haben. Darüber hinaus wird nicht zwischen unbefristeten und befristeten Arbeitsverträgen differenziert, da beide Beschäftigungsarten jüngeren Menschen die Möglichkeit bieten, Berufserfahrungen zu sammeln.
Obwohl der – nicht fachlich offensichtlich ungeeignete – Kläger im konkreten Fall entgegen der Pflicht des § 165 Satz 3 SGB IX nicht zum Bewerbungsgespräch eingeladen wurde, entschied das Bundesarbeitsgericht angesichts der dargestellten Rechtfertigung zudem, dass der Arbeitgeber im Hinblick auf die Schwerbehinderung nicht gegen das Benachteiligungsverbot nach § 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG bzw. § 7 Abs. 1 i.V.m. § 164 Abs. 2 Satz 2 SGB IX verstoßen hatte. Überzeugenderweise nahm das Bundesarbeitsgericht eine teleologische Reduktion der Vorschrift zur Einladung schwerbehinderter Menschen vor. Die Einladung hätte sich in diesem Fall als „bloße Förmelei“ dargestellt.
Die Urteilsgründe konkretisieren, nach welchem Maßstab eine Altersbenachteiligung gerechtfertigt ist. Tarifgebundene Arbeitgeber können sich unter Bezugnahme der für sie geltenden tarifvertraglichen Altersgrenzenregelungen anstelle diese Grenzen überschreitenden Bewerbern für jüngere, die Altersgrenze noch nicht überschreitende Bewerber entscheiden.
Nicht tarifgebundene Arbeitgeber sind demgegenüber gut beraten, bereits nicht wegen des Alters zu diskriminieren. Ob eine solche Diskriminierung erfolgreich auch mit Altersgrenzen in Individualverträgen gerechtfertigt werden kann, hat das Bundesarbeitsgericht nicht entschieden. Zumindest dürften folgende Punkte zu beachten sein:
Dies dürfte im Falle einer individualvertraglichen Rechtfertigung umso mehr gelten. Das Bundesarbeitsgericht entschied im konkreten Fall zwar ausdrücklich, dass es für die Legitimität des Ziels nicht auf die tatsächliche Altersstruktur im Betrieb ankomme. Grund dafür war aber gerade, dass der Arbeitgeber sich die tarifvertraglichen Regelungen zu eigen gemacht hatte.